#longread: Warum Nahrungsergänzung? Warum dieser Newsletter?
Fragen über Fragen... und immer das gleiche. Mich nerven die offiziellen Empfehlungen!! Denn sie entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Hier exemplarisch Vitamin D und Selen.
“Brauche ich Nahrungsergänzungsmittel? Aber ich ernähre mich doch gut…?”
Ohne “gute Ernährung” zu zerpflücken, lautet meine Antwort kurz und knapp: Sorry, das reicht nicht!
“Aber die DGE…”
“Aber man liest doch, dass Multivitamin-Präparate unnötig sind…”
“Aber die Bildzeitung…”
“…Vitamin D? Aber ich bin doch täglich draußen! Müssen wir wirklich so viel Zeug einnehmen?”
Jaja, solche Einwände kenne ich. Aber, aber, aber! Puh! Da muss ich mittlerweile echt seufzen und habe es schon hundertmal erklärt. Deshalb drösel ich exemplarisch mal zwei Themen für dich auf:
Vitamin D
Selen
Fangen wir passend zur Sonne mit Vitamin D an.
Es ist ein Vitamin, das als Hormon wirkt und unglaublich viele Effekte bewirkt. Wir können es über die Ernährung aufnehmen oder durch Sonnenlicht selbst bilden (=endogene Synthese). Ich zitiere mal die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) zum Thema Vitamin D aus 2015:
“Die Zufuhr über die Ernährung mit den üblichen Lebensmitteln reicht nicht aus, um den Schätzwert für eine angemessene Zufuhr bei fehlender endogener Synthese zu erreichen, der die gewünschte Versorgung (25-Hydroxyvitamin-D-Serum- konzentration in Höhe von mindestens 50 nmol/l1) sicherstellt. Die Differenz muss über die endogene Synthese und/oder über die Einnahme eines Vitamin-D-Präparats gedeckt werden.” (Quelle: DGE)
An dieser Stelle lasse ich die Mindest-Serumkonzentration noch unkommentiert! Kommt unten.
Und weiter die DGE:
“Neben anderen Faktoren wie der Dauer der UVB-Exposition und der Fläche des exponierten Hautareals hängt die Bildung von Vitamin D in der Haut wesentlich von Wellenlänge und Dosis der UVB-Strahlung ab.“
Auf Deutsch heißt das: Du braucht viel nackte Haut sowie eine angemessene Dauer bei einer bestimmten Wellenlänge/Intensität! Und jetzt gucken wir doch mal, was das Bundesinstitut für Strahlenschutz dazu sagt…
“Für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese genügt es nach derzeitigen Erkenntnissen, Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz zwei- bis dreimal pro Woche der Hälfte der minimalen sonnenbrandwirksamen UV-Dosis (0,5 MED) auszusetzen, also der Hälfte der Zeit, in der man sonst ungeschützt einen Sonnenbrand bekommen würde. Beispielsweise bedeutet dies für Menschen mit Hauttyp II bei hohen sonnenbrandwirksamen UV-Bestrahlungsintensitäten (UV-Index 7) rein rechnerisch eine Bestrahlungszeit von circa 12 Minuten.” (Quelle: BFS)
Den UV-Index 7 erreichen wir aber nur zur Mittagszeit und nur in den Sommermonaten! Hier noch das Bundesinstitut für Risikobewertung:
“Im Gegensatz zu den Sommermonaten ist die Sonnenbestrahlung in Deutschland in den Monaten von Oktober bis März nicht stark genug, um eine ausreichende Vitamin D-Bildung zu gewährleisten.” (Quelle: BfR)
Wir brauchen mindestens einen UV-Index von 3. In Deutschland ist der Sonnenstand auf unseren Breitengraden meist sogar bis Ende April/Anfang Mai so tief, dass wir gar nichts herstellen können. Da kannst du dich also nackig in den Garten legen und es passiert trotzdem nichts…
UV-Strahlung aus Solarium und übermäßiger natürlicher Sonnenexposition erhöht übrigens das Hautkrebsrisiko, insbesondere bei Erstbenutzung der Sonnenbank unter 35 Jahren. Das ist in Studien hinreichend bewiesen: das Melanom-Risiko (=schwarzer Hautkrebs) hat sich erschreckend erhöht, ebenso das Risiko für weißen Hautkrebs. Kein Wunder also, dass das Bundesinstitut für Strahlenschutz ganz klar warnt:
“Von starken, nicht ärztlich kontrollierten UV-Bestrahlungen (Sonne oder Solarium) zum Zweck der Vitamin-D-Bildung, der Selbsttherapie eines Vitamin-D-Mangels oder der Bräunung wird dringend abgeraten.” (Quelle: BFS)
Nun gibt es einen weiteren Haken:
“Der von wissenschaftlichen Fachgesellschaften für die Knochengesundheit als wünschenswert angesehene Vitamin-D-Spiegel im Blutserum liegt bei 20 Nanogramm pro Milliliter (50 Nanomol pro Liter) und höher. Von einem Vitamin-D-Mangel gehen diese Fachgesellschaften erst bei einem Vitamin-D-Blutserumspiegel unter 12 Nanogramm pro Milliliter (30 Nanomol pro Liter) aus.” (Quelle: BFS)
Die Werte, die hier als “Norm” bewertet sehen, sind gruselig!
Du willst Studien? Hier, bitteschön:
“Serum 25(OH)D concentrations less than or equal to 30 ng/mL were associated with higher all-cause mortality than concentrations greater than 30 ng/mL (P < .01).”
Du willst ne niedrige Sterblichkeit? Dann brauchst du laut Meta-Analyse bitte Werte über 30 ng/mL! Auch bei Betrachtung der Knochen sind Werte von mindestens 30ng/mL nötig, um eine gute Mineralisierung der Knochen zu erreichen. Tatsächlich springen Kompensationsmechanismen bereits bei einem Absinken der Werte unter 40 (!) an. Das bedeutet: Bei einem Wert unter 40 ng/mL schüttet der Körper vermehrt ein anderes Hormon aus, um Calcium aus deinem Knochen zu klauen und ins Blut abzugeben…
Ideale Werte sind also eher im Bereich über 40 Nanogramm pro Milliliter anzusetzen. Das deckt sich auch mit der Erkenntnis, dass ausreichende Mengen Vitamin D erst dann in die Muttermilch übergehen und zu einer ausreichenden Versorgung des Babys führen, wenn 6.400 IE (=internationale Einheiten) Vitamin D pro Tag durch die Stillende supplementiert werden. Nimmt eine Frau weniger zu sich, benötigt das Baby zusätzliches Vitamin D.
Willst du wissen, was die DGE einer Stillenden empfiehlt? 800 IE. An dieser Stelle kannst du dir denken, wie ich zu den Dosierungen der DGE stehe. Ich habe in der Stillzeit 3.000 - 4.000 IE täglich genommen und meinen Sohn separat mit 500 IE versorgt.
Kurzum: Selbst bei dem offiziell viel zu niedrig angesetztem Grenzwert reicht die Eigensynthese nicht aus. Nun sind in Wahrheit aber nach aktuellem Kenntnisstand wesentlich höhere Dosen nötig und sinnig! Wir können den Bedarf folglich in keinem Fall in Deutschland ohne Supplemente decken.
Tja, und Selen?
Leider sieht es bei Selen kaum besser aus.
Denn unsere Böden sind selenarm. Dadurch sind die Lebensmittel arm an Selen und folglich auch unsere Ernährung…
“Nach gegenwärtigen (…) Schätzungen liegt die Zufuhrmenge an Selen über die Nahrung bei Erwachsenen in Deutschland bei ca. 30–50 μg pro Tag.”
Das veröffentlichte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in 2021. Weiter heißt es dort:
“Die geschätzte mediane Selenzufuhr bei Erwachsenen liegt damit unterhalb der Schätzwerte für die Zufuhrempfehlungen der D-A-CH und der EFSA von 60–70 μg/Tag. Jedoch liegt sowohl in Deutschland als auch in Europa (…) in der Regel kein klinisch relevanter Selenmangel vor.”
Diese Schlussfolgerung finde ich absurd! Denn schau mal, wie es im Text weiter heißt:
“Im Rahmen einer zwischen 1987 und 1989 durchgeführten Studie (…) wurde für die alten Bundesländer ein Medianwert der Serumselenkonzentration von 82 μg/l für Männer und 83 μg/l für Frauen ermittelt. Gemessen am Referenzbereich für Erwachsene von 74– 139 μg/l liegt die Serumselenkonzentration im mittleren bis unteren Bereich.”
In Kürze: Laut offizieller Seite nehmen wir eigentlich viel zu wenig Selen auf, auch die Blutspiegel sind tatsächlich zu gering… aber “macht ja nix, denn klinisch relevant ist das ja nicht”. Klinisch relevant? Mhm, was bedeutet das denn…?
Wofür brauchen wir Selen eigentlich? Für die Schilddrüse, als Antioxidans, für das Immunsystem und allem, was damit zusammen hängt - also auch zur Krebsprävention!
Schaut mal, was schon vor 20 Jahren(!) publiziert wurde:
“Ideale präventive Blutspiegel (…) im Serum bei 135 µg/l. Die maximale Aktivität der GSH-Px wird bei Selenserumspiegeln um 95 µg/l erreicht. Inzwischen wurden mehrere neue Selenoenzyme entdeckt, von denen mindestens eins das Aktivitätsmaximum bei wesentlich höheren Selenspiegeln erreicht.”
Für dich vereinfacht erklärt: Für ideale vorbeugende Effekte nehmen wir viel zu wenig Selen auf! Denn zahlreiche Enzyme arbeiten erst bei einer hohen Selenkonzentration richtig gut. Es wird sogar von offizieller Seite zugegeben, dass wir an der unteren Grenze schrammen und den Bedarf nicht decken.
“Eine angemessene Zufuhr ist über eine vollwertige Ernährung möglich.”
Das sagt die DGE. Tja, offensichtlich wird sie in der Praxis aber nicht erreicht und zumindest ICH ziehe aus den offiziellen Verzehrstudien irgendwie andere Schlüsse. Wie siehst du das?
Es gibt übrigens eine natürliche Selenquelle, die den Bedarf gut decken könnte, und das wäre die Paranuss. Leider ist diese wiederum radioaktiv belastet, sodass wir unserer Gesundheit damit womöglich nichts gutes tun:
“Eine Sonderstellung unter den Lebensmitteln nehmen Paranüsse ein. Mit spezifischen Aktivitäten von einigen 10 Becquerel Radium-226 beziehungsweise Radium-228 pro Kilogramm Frischmasse können Paranüsse rund 1.000-fach höhere Radiumgehalte als die Gesamtnahrung in Deutschland aufweisen.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen und verschiedene Internetforen empfehlen, zur Verbesserung der Selenversorgung zwei Paranüsse (rund 8 Gramm) täglich zu verzehren. Mit dem Verzehr von zwei Paranüssen pro Tag kann ein Wert von 160 Mikrosievert pro Jahr erreicht werden.
Ein Vergleichsmaßstab ist die jährliche effektive Dosis infolge der Aufnahme natürlicher Radionuklide mit der Nahrung. Sie beträgt bei durchschnittlichen Ernährungsbedingungen 300 Mikrosievert. Der Verzehr von 2 Paranüssen pro Tag erhöht somit bei Erwachsenen rechnerisch die Ingestionsdosis durch natürliche e um etwa die Hälfte. Bei einer Strahlenbelastung in dieser Höhe muss niemand mit negativen gesundheitlichen Folgen rechnen. Aus Sicht des Strahlenschutzes ist jedoch zu bedenken, dass der Selenstatus durch Nahrungsergänzungsmittel auch ohne zusätzliche Strahlenbelastung verbessert werden kann.” (Quelle: BFS)
Daher meine persönliche Schlussfolgerung: Ich ernähre mich ausgewogen und gesund, aber ich brauche für eine ideale Versorgung Supplemente mit Vitamin D und Selen. Punkt.
Und ich könnte die Liste weiter führen mit Omega 3, Magnesium, Folsäure, B-Vitaminen, Vitamin A, … Aber zu diesen Themen dann ein anderes mal.
Herzlich,
Deine Apothekerin des Vertrauens
Carolin
P.S. Warum also dieser Newsletter?
Fragen wie…
“Hey Carolin! Welche Supplemente nimmst du eigentlich?
“Was hältst du von Omega 3...? “
“Ich ernähre mich vegan, was brauche ich denn wirklich...?”
…erreichen mich mittlerweile fast täglich. Ich LIEBE es, mein Wissen weiterzugeben, und Studien-basiert traue ich mich mittlerweile auch, von den offiziellen DGE-Empfehlungen abzuweichen. Nachdem ich einmal auf die Frage „vegan - was brauche ich?“ eine fast 20-minütige Sprachnachricht verschickt habe und als Antwort kam…
„danke - aber das sollte doch kein Podcast werden! 😂“,
…habe ich der Idee meines Mannes nachgegeben... und diesen kostenlosen Newsletter gestartet.
Hier beantworte ich diese und viele weiteren Fragen, gebe dir alltagstaugliche Tipps und nach und nach werde ich auch das Geheimnis lüften, welche Supplemente ich so nehme. Denn auf dem Foto ist nur eine Auswahl... ;-)
Dich erwarten also weiterhin:
viele kleine Tipps, die einfach umzusetzen sind
differenzierte Betrachtung zu verschiedenen Mikronährstoffen, Vitaminen und Co
Biohacking
Hintergrundwissen zu Themen wie Leaky Gut, Histaminintoleranz, Arzneimittel als Mikronährstoffräuber, ...
Umweltgifte in unserer Ernährung
Was du nicht bekommst:
dogmatische Ernährungsregeln.
Denn alles ist individuell - und Essen ist nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Genuss.
Übrigens: Keine Interessenskonflikte, ich bekomme keinen Cent für irgendeine Empfehlung. Unbezahlte Werbung auf dem Foto!! Ich investiere hier viel Freizeit für dich, völlig “selbstlos”.
Aber weißt du was? Ich mache meine Passion zum Beruf! Denn ab heute, 1. Mai, starte ich einen neuen Job als Apothekerin bei der Firma Kyberg und ich freue mich irrsinnig, dort als Mikronährstoffexpertin täglich dazu lernen zu dürfen und mein Wissen künftig auch an Fachkreise weiterzugeben. Denn irgendwie hat es mich echt genervt, in der Apotheke oft erst mit Medikamenten ansetzen zu können, wenn Patienten schon krank sind. Verstehe mich nicht falsch: Ich bin dankbar für Medikamente! Aber Prävention beginnt lange vorher und ich bin fest überzeugt, da ist einerseits Eigenverantwortung gefragt und andererseits kann ich bei Prävention wirklich einen Mehrwert für viele Menschen leisten.
Stay tuned und empfiehl mich bitte weiter!