#5: Magnesium = Magnesium? Nö! Und Omega 3?
Die Preisspanne zwischen Nahrungsergänzung aus dem Discounter, der Drogerie und der Apotheke sowie online könnte nicht größer sein. Hier erkläre ich dir mehr über die Hintergründe und Details.
Wie kann es sein, dass Magnesium aus Drogerie oder Supermarkt 2-3 Euro und in der Apotheke ab 9 Euro aufwärts kostet? Das werde ich oft gefragt (allein letzte Woche zwei mal von euch) – und habe es als Laie früher auch nie verstanden und meist zum billigen Produkt gegriffen. Denn Magnesium ist doch Magnesium, oder etwa nicht?!
Nö, Irrtum! Denn es gibt Unterschiede, die diese Preisunterschiede rechtfertigen. Dabei kommt es auf Details an:
Salzform („organisches” oder “anorganisches” Magnesium)
deklarierter Gehalt („das Kleingedruckte“)
tatsächlicher Gehalt (Nahrungsergänzungsmittel dürfen 50% abweichen!)
regulatorische Aspekte (Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel - freiverkäuflich oder sogar rezeptpflichtig)
Qualität des Rohstoffs, verwendete Hilfsstoffe
Verunreinigungen
„High-Tech-Formulierung“ (liposomales Magnesium)
Darreichungsform (Direkt-Granulat, Brausetablette, Magensaft-resistente Tablette, …)
Exemplarisch gehe ich auf ein paar Unterschiede genauer ein.
Salzform
Magnesium, Zink oder Eisen nimmst du nicht „pur“ auf, sondern musst es als Salz anwenden. Das bedeutet: es ist immer ein Partner mit dabei. Apotheker unterscheiden beispielsweise “organisch” und „anorganisch” gebundenes Magnesium. Vereinfacht: Organisch gebundenes Magnesium kannst du besser resorbieren (=aufnehmen), es kommt also mehr davon in deinem Körper an. Nicht-resorbiertes Magnesium kann in deinem Darm zu Durchfall führen, wenn es zu viel ist. Der Nutzen von einem organisch gebundenem Magnesium ist also zweierlei: Es kommt mehr Magnesium in deinem Körper an (dafür nimmst du es ja!) und gleichzeitig verträgst du es besser.
Das „klassische“ beziehungsweise bekannteste organisch gebundene Magnesium ist Magnesiumcitrat. Es gibt aber auch -glycinat, -taurat und viele mehr (Taurat wirkt übrigens nebenbei antioxidativ und unterstützt deine Blutgefäße, dein Nervenkostüm und vieles mehr!). Als anorganisches Magnesium ist Magnesiumoxid der Klassiker.
Manchmal findest du auch in Apothekenware Magnesiumoxid. Warum? Magnesiumoxid ist ein kleineres Molekül als Magnesiumcitrat... Patienten wollen aber keine riesen Kapsel schlucken. Will ein Hersteller also viel Magnesium in einer nicht allzu riesigen Kapsel unterbringen, mischt er Magnesiumcitrat und Magnesiumoxid. Im Umkehrschluss: Möchtest du organisch gebundenes, hochwertiges Magnesium womöglich sogar mit “Premiumpartner” in einer Kapsel, läuft die Tagesdosis auf zwei, drei oder sogar vier Kapseln hinaus... Positiver Nebeneffekt dabei: die verteilte Einnahme führt ebenfalls zu einer besseren Aufnahme und sie lässt sich individueller dosieren.
Außerdem gibt es Partner, die - zumindest ich - eigentlich gar nicht im Körper aufnehmen möchte. Ein bekanntes Beispiel ist B12, denn auch da gibt es verschiedene Formen: Cyanocobalamin, Hydroxocobalamin, Methylcobalamin... alles komplizierte Namen, aber alles „B12“. Zumindest auf den ersten Blick! Denn hinter „Cyano-“ versteckt sich Blausäure. Ja, es sind nur Spuren, aber mit Cyanocobalamin führst du deinem Körper Blausäure zu. Findest du das gut? Ich nicht. Warum wird es trotzdem verwendet? Es ist billig und kostet nur einen Bruchteil dessen, was beispielsweise Methylcobalamin kostet. Ein Insider aus der Branche erzählte mir vor einem Jahr, dass sich der Einkaufspreis um den Faktor 1.000 unterscheidet! Dafür habe ich keine Quelle, aber der Preisunterschied ist definitiv enorm.
Merk dir also: Der Partner ist relevant.
Das führt dich auch gleich zum nächsten Punkt…
Das Kleingedruckte
Hierfür kopiere ich dir die Infos aus einer Fachinformation aus für Magnesium Verla® N Dragées:
1 magensaftresistente Tablette enthält:
Magnesiumcitrat 9 H2O: 205mg (berechnet wasserfrei)
Magnesiumbis(hydrogen-L-glutamat) 4 H2O: 90 mg (berechnet wasserfrei)
Magnesiumgehalt: 1,65 mmol/3,3 mval/40 mg
Ein Dragee (=linsenförmige Pille) enthält also insgesamt 295 mg Wirkstoff. Der tatsächliche reine Magnesiumgehalt pro Dragee ist aber nur 40 mg! Schließlich wiegen die „Partner“ ja auch etwas und müssen rausgerechnet werden. Für dich als Kontext: Der offizielle Tagesbedarf liegt bei 300 bis 400 mg, also dürfen es ruhig 8-10 Dragees pro Tag sein. Ich rechne das meinen Kunden in der Beratung vor - und die staunen nicht schlecht. Tja, und jetzt stell dir vor, sie nehmen nur ein Dragee, immerhin sind ja 295mg drinnen... da erwarte ich dann um ehrlich zu sein keine Effekte, allenfalls Placebo.

Auch regulatorische Aspekte spielen eine Rolle. Arzneimittel unterliegen ganz anderen rechtlichen Rahmenbedingungen als Nahrungsergänzungsmittel. Hierfür sind Studien erforderlich, welche die Wirksamkeit und Sicherheit belegen, aber das kostet natürlich Geld und fließt ebenfalls in die Preisbildung ein. Wusstest du, dass Arzneimittel nur um 5 Prozent im Wirkstoffgehalt abweichen dürfen? Du kriegst also wirklich, was auf der Packung steht!
Im Gegensatz dazu unterstehen „Nahrungsergänzungsmittel“ dem Lebensmittelrecht. Dort dürfen Mengenangaben auf der Verpackung bis zu 50 Prozent von der tatsächlichen Menge im Produkt abweichen. Es ist also mitunter nur die halbe Menge drinnen und trotzdem entspricht das Produkt formal allen Anforderungen! Auch im Hinblick Qualitätskontrolle und Co gelten viel laschere und andere Regeln als bei Arzneimitteln. (Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit)
Wo wir beim nächsten Punkt wären…
Qualität des Rohstoffs und Verunreinigungen
Hier wähle ich gerne „Omega 3“, weil es Billigprodukte und teure High-end-Produkte gibt. Du fragst dich sicherlich, wie viele Euro vom Preis bei den teuren Präparaten auf Marketing zurückzuführen sind, oder? Das kann ich dir nicht beantworten. Aber ich weiß, dass beispielsweise die Firma Norsan freiwillige (!!) Analysen macht und nachweist, dass sie nahezu frei von Schwermetallen und Verunreinigungen sind. Das Öl muss sehr aufwendig aufgereinigt werden, um diese Qualität zu erreichen. Außerdem ist Omega-3-Öl leicht verderblich und empfindlich gegenüber Sauerstoff. Auch das wird von der Firma Norsan laufend kontrolliert, es garantiert durch freiwillige (d.h. regulatorisch nicht gefordert Kontrollen) einen sehr niedrigen „TOTOX“-Wert – deutlich unter dem, der rechtlich vorgeschrieben wäre. Außerdem ist der Fischfang laut Firmenaussage nachhaltig. Letzteres lasse ich einfach mal so stehen.
Willst du den Preis drücken, verzichtest du…
…auf aufwendige Aufreinigung,
…auf Analysen
…auf „Frische“, Qualität und Nachhaltigkeit …
…und kaufst Rohstoffe billig ein.
Und am Ende kauft der Kunde respektive du die Katze im Sack. Mit Glück ist das Omega 3 okay, mit Pech ist es schon oxidiert, ranzig und du nimmst auch noch eine Menge Schwermetalle, Toxine und krebserregenden Dreck zu dir, den du möglicherweise nie wieder los wirst.
Das weiß auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL):
„Je nach der Umweltbelastung, der die Fische ausgesetzt waren, können die Fischöle nicht unerhebliche Gehalte an fettlöslichen und schwer abbaubaren Kontaminanten aufweisen. Hierzu zählen vor allem Dioxine, Organochlorpestizide und Polychlorierte Biphenyle (PCB), deren hohe Stabilität zu einer Anreicherung in der Nahrungskette führt.
Es besteht die Möglichkeit, die genannten Schadstoffe bei der Herstellung der Präparate durch aufwändige technische Verfahren (z. B. Molekulardestillation) weitgehend zu entfernen.“
2004 hat das LGL daher 36 Proben aus dem Markt genauer untersucht:
“Wie der Tabelle 1 zu entnehmen ist, betrug die Belastung aller Proben mit Dioxinen und Furanen (PCDD/F) im Mittel 0,42 pg WHO-TEQ / g Fett. (…) 5 Lachsölproben eines Herstellers lagen mit Gehalten zwischen 1,2 und 1,5 pg WHO-TEQ / g Fett knapp unterhalb des Auslösewertes von 1,5 pg WHO-PCDD/F-TEQ / g Fett.
Liegt der Gehalt an Dioxinen über dem Auslösewert, so ist eine Untersuchung zur Ermittlung der Kontaminationsquelle in Zusammenarbeit mit dem betroffenen Unternehmen (Hersteller) einzuleiten, um Maßnahmen zur Beschränkung oder Beseitigung der Kontaminationsquelle zu treffen. Im Falle von Fischöl sind die Bezugsquellen zu überprüfen.”
Dabei wurden PCDD/F gewählt, da sie sich im Körper anreichern und biologisch nur gering abgebaut werden können. Interessanter als die gemessenen Werte finde ich aber die gewaltigen Unterschiede: Das Produkt mit der geringsten Belastung hatte 0,07 pg PCDD/F pro g Fett, die höchste Belastung hatte knapp 1,5 pg pro g Fett. Faktor 20+! Ich möchte mir mit Omega 3 ja etwas gutes tun, nicht schaden - also will ich auch nicht die Katze im Sack kaufen und auf fancy Design achten, sondern wissen, was wirklich drinnen ist.
Abgesehen davon gibts es natürlich hochwertigere Omega-3-Quellen (Algen, hochwertige Fische) und günstigere Quellen (günstigere Fische, wie etwa Dorsch). Auch „Konzentrate“, also weiterverarbeitete Omega-3-Öle, sind nicht ganz trivial. Wenn in deinem Omega-3-Präparat nur eine Kapsel ausreicht, hast du entweder ein Konzentrat oder zu wenig Omega 3 drinnen. Denn viel hilft viel, aber darauf gehe ich noch einmal gesondert ein. Hast du Omega-3-Kapseln zu Hause? Dann zerbeiß doch mal eine. Wenn sie ranzig schmeckt, würde ich die ganze Packung direkt im Müll entsorgen.
FAZIT
If you pay peanuts, you’ll get monkeys! Wer also erwartet, dass er für 2 Euro ein Spitzenprodukt in hoher Qualität bekommt, .... hat einen Denkfehler. Aus diesem Grund kaufe ich auch kein abgepacktes Hackfleisch für 5 Euro im Kilo. Sorry, nichts für ungut, aber was für ein Fleisch soll das sein? Mit welchem Futter, unter welchen widrigen Bedingungen inklusive dann erforderlichen exorbitant hohen Antibiotikamengen soll das zu produzieren sein?!
In der Apotheke gibt es Arzneistoffe sowie „teure“ Nahrungsergänzungsmittel. Apotheken beraten nicht nur, sondern sie selektieren für dich vor und führen in der Regel (!) nur Firmen, die eine hohe Qualität mitbringen und denen sie vertrauen. Dafür bekomme ich in der Apotheke Besuch vom Außendienst, lasse mir Analysenzertifikate zeigen, gehe auf Messen, lasse mir die Qualitätsstandards erklären und schaue auf das Kleingedruckte, ja teilweise sogar auf Hilfsstoffe.
Wenn du mich also fragst, was ich von Magnesium der Firma xyz halte, das du im Internet gefunden hast, muss ich sagen: Sorry, keine Ahnung! Ich kenne die Firma nicht und ich weiß nicht, wie sie arbeitet und welche Qualitätsstandards sie erfüllt.
Es geht um Vertrauen. Blind vertraue ich keiner Firma von Nahrungsergänzungsmitteln.
Vertrau lieber deiner Apothekerin des Vertrauens :-)
Carolin
P.S. Für die, die es genauer wissen wollen:
Bei Naturprodukten wie Pflanzen ist es nochmal besonders „tricky“. Apotheker unterscheiden hier das Droge-Extrakt-Verhältnis (=DEV), das Auszugsmittel und vieles mehr. Einige Extrakte sind sogar patentiert. Denn Extraktionsverfahren und Verarbeitung beeinflussen maßgeblich die Qualität des Arzneistoffs! Es ist bei Arzneipflanzen zudem strengstens festgelegt, welche Qualitätskriterien erfüllt sein müssen. Das umfasst nicht nur Verunreinigungen, sondern auch einen Mindestgehalt an den Wirksamkeits-bestimmenden Inhaltsstoffen. Klassisches Beispiel ist etwa Ginkgo. In der Fachinformation einer 120 mg-Tablette Ginkobil® Ratiopharm steht das dann so:
1 Filmtablette enthält:
Wirkstoff: 120 mg Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern (35 – 67:1),
Auszugsmittel: Aceton 60 % (m/m).
Der Extrakt ist quantifiziert auf 26,4 – 32,4 mg Flavonoide, berechnet als Flavonoidglykoside, sowie 6,0 – 8,4 mg Terpenlactone, davon 3,36 – 4,08 mg Ginkgolide A, B und C und 3,12 – 3,84 mg Bilobalid, und enthält unter 0,6 μg Ginkgolsäuren pro Filmtablette.
Die Zahlen (35 - 67:1) stehen für das Droge-Extrakt-Verhältnis. Aus 35 bis 67 Teilen Pflanze wird also 1 Teil Pflanzenextrakt gewonnen. Du musst also viel Pflanze einsetzen, um eine kleine Menge Wirkstoff zu erhalten. Kein Wunder also, dass pflanzliche Arzneimittel teurer sind als Paracetamol, Ibuprofen und Co. Ein pflanzliches Arzneimittel ist nur so gut wie der Rohstoff - und das ist aufwendig in der Herstellung.
Vielleicht fällt dir der Unterschied leichter, wenn du an Kaffee denkst? Klar, alles sind irgendwie Kaffeebohnen. Auch da gibt es nicht nur “einen” Kaffee, sondern tausend Varianten und Kilogramm-Preisspannen von 5 Euro bis 35 Euro. Schaust du genauer drauf, stellst du fest, dass es nicht nur Arabica-Bohnen gibt, sondern auch Robusta-Bohnen…. Robusta hat viel mehr Coffein, die Inhaltsstoffe unterscheiden sich, aber beides sind Kaffeebohnen, die du dann auch noch unterschiedlich rösten kannst - heller oder dunkler, länger oder kürzer. Und dann hast du zwar Kaffeebohnen, aber selbst die identische Portion Kaffeebohnen kannst du vollkommen unterschiedlich zubereiten! Dabei kommt es nicht nur auf die Art der Zubereitung an (Siebträger, Filter, …), sondern auch auf Temperatur, Mühle, gewählter Mahlgrad, Qualität der Kaffeemaschine, Druck und vieles, vieles mehr. Spielt nicht sogar die Luftfeuchtigkeit eine Rolle…? ;-) Die Ergebnisse variieren jedenfalls nicht nur sensorisch, sondern ebenfalls im Coffein- und beispielsweise Säuregehalt.
Wenn du immer noch sagst: Kaffee ist Kaffee! Ja, dann ist Magnesium auch Magnesium und Kamillentee auch Kamillentee.